Digitale Detektive statt Killer-Robotern

Digitale Detektive statt Killer-Robotern: Künstliche Intelligenz für globale Sicherheit

18. November 2024

Am 2. November 2024 war das Team von CNTR erstmals am Programm der Berlin Science Week beteiligt. In einer einstündigen Deep Dive-Vortrag sind die Forscher Dr. Niklas Schörnig und Fabian Unruh sowie Wissenschaftskommunikatorin Laura Bannan-Fischer der Rolle neuer Technologien für die Stärkung der Rüstungskontrolle auf den Grund gegangen. Dabei lag der Fokus insbesondere auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verifikation von Atomwaffenverträgen. 

Mehrere Tausend Besucher*innen haben am CAMPUS Programm der Berlin Science Week am 1. und 2. November im Museum für Naturkunde Berlin teilgenommen. Als das Team von CNTR am Samstagnachmittag den Bühnenbereich im Ausstellungssaal “Evolution in Aktion” für sich einnahm, war das Treiben der Museums- und Festivalbesucher*innen noch in vollem Gange. Rund 50 interessierte Zuhörer*innen haben sich im lauschigen Bühnenbereich am Ende des Ausstellungsraums, hinter der vier Meter hohen und 12 Meter langen Biodiversitätswand – eine Installation, die rund 3.000 Tiere aus allen Lebensräumen zeigt – sitzend und stehend versammelt, während auf der Leinwand schon die Ankündigung für das in wenigen Minuten stattfindende Deep-Dive-Gespräch eingeblendet war: „Digitale Detektive statt Killer-Robotern: Künstliche Intelligenz für globale Sicherheit“. 

„Bei der Minderung von Vertrauensproblemen kann KI zwar helfen, menschliches Gespür und Interaktion jedoch niemals ersetzen.“

Laura Bannan-Fischer, Referentin für Wissenstransfer, eröffnete die Veranstaltung mit einem Einstieg zum Forschungs- und Transfercluster CNTR, gefolgt von einer Einführung in die politikwissenschaftliche Forschung zu Entwicklung, Ausprägungen und Mechanismen der Rüstungskontrolle sowie zur Rolle der Verifikation, d.h. die Überprüfung der Einhaltung von Abkommen zur Rüstungskontrolle. Die Verifikation sieht sich stets mit einem Drahtseilakt konfrontiert, einerseits effektive, eindeutige und abschließende Überprüfungsergebnisse zu liefern, andererseits aber auch die Geheimhaltung militärisch und ziviltechnisch sensitiver Informationen zu wahren. Daher erforscht das interdisziplinäre CNTR-Team unter anderem Möglichkeiten, dieser Herausforderung mithilfe des Einsatzes von KI zu begegnen.

Auf diesem theoretischen Fundament baute der Vortrag von Dr. Niklas Schörnig auf, der sich mit den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von neuen Technologien im Anwendungsfeld der Rüstungskontrolle beschäftigte. Tatsächlich haben diese eine lange Geschichte und wurden von der Forschung bereits in den 1980er Jahren diskutiert (z.B. Allan M. Din’s Arms and Artificial Intelligence aus dem Jahr 1987). Niklas Schörnig erklärte, dass Staaten in den Bereichen der Rüstungskontrolle und Verifikation heutzutage insbesondere von der Fähigkeit der KI zur Analyse großer Datenmengen profitieren, welche Zusammenhänge und Muster aufdecken können, die für menschliche Beobachter nicht unbedingt sichtbar sind. Die KI-gestützte Analyse großer Datenmengen findet beispielsweise bei Simultanübersetzungen und Textanalyse Anwendung, aber auch in der Bildanalyse, wie bei der Suche nach Infrastrukturen und Strukturveränderungen auf Satellitenbildern. Eine wichtige Schlussfolgerung lautete, dass KI großes Potential hat, Inspekteure bei ihrer Arbeit zu unterstützen und somit Vertrauensprobleme in Rüstungskontrollregime mildern kann. Vollständig ersetzen kann sie menschliche Inspekteure aber nicht, da menschliches Gespür und Interaktion weiterhin wichtig bleiben. Sie stellt damit kein Allheilmittel für die Herausforderungen der Rüstungskontrolle dar.

Schließlich führte Fabian Unruh das Publikum in die naturwissenschaftliche Perspektive auf nukleare Abrüstung ein. Sein Vortrag konzentrierte sich auf zwei Fälle, in denen KI zum Einsatz kommen kann. Einerseits kann KI die Aufdeckung von Nuklearwaffentests unterstützen. Solche Tests sind für Vertragsstaaten des sogenannten Kernwaffenteststoppvertrag (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) verboten. Dabei kann KI bei der Auswertung der Daten eingesetzt werden, die z.B. anhand von Schallmessungen durch seismische (Erderschütterungen), hydroakustische (Schall im Wasser) oder atmosphärische Sensoren erfasst werden. Anhand der Bestimmung von Ort, Ursache und Stärke einer Explosion lässt sich aufdecken, ob es sich um einen (unerlaubten) Kernwaffentest handelt. Um die KI auf eine präzise und verlässliche Anwendbarkeit zu trainieren, sind große Mengen an Simulationsdaten notwendig. Der zweite mögliche Einsatzbereich von KI-Systemen ist die Überprüfung von nuklearen Beständen, die potenziell für Atomwaffen verwendet werden können. Für diesen Ansatz wird der hochradioaktive Abfall aus Kernreaktoren gemessen. Die ermittelte Zusammensetzung der Spaltprodukte – das sind die Überreste von Kernspaltungen – wird mit Hilfe von KI analysiert, wodurch die produzierte Menge von z.B. Plutonium bestimmt wird.

Interdisziplinäre Forschung für ein tieferes Verständnis globaler Sicherheitsfragen

Der CNTR Deep Dive-Vortrag lud das Publikum ein, sich der diesjährigen Leitfrage der Berlin Science Week „Was ist unser Common Ground?“ zu nähern, indem er eine innovative Schnittstelle zwischen Friedensforschung, Technologie und Physik beleuchtete, neue Perspektiven auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz vorstellte und somit ein vertieftes Verständnis für Fragen globaler Sicherheit und von Wissenschaftskultur beim Publikum etablierte. Die Bedeutung solcher Begegnungsformate hat sich im zweiten Teil der Veranstaltung, einem halbstündigen Q&A, gezeigt. Die Zuhörenden beteiligten sich mit Fragen zu verschiedenen Aspekten der Rüstungskontrolle, wie beispielsweise zur Wirkungsmacht zukünftiger Verträge und Überprüfungsmechanismen oder zur Rolle des Iran, aber auch zum Forschungsprozess, wie beispielweise zur Entstehung von Forschungsfragen und zum Wissenstransfer bei CNTR. 

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